DG - Kartografien des Werdens - Eine Reise durch Orte, Bilder und das Selbst


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Wir glauben, Orte zu besuchen, doch in Wahrheit betreten wir Seelenzustände. In diesem Essay erkunde ich, wie Städte wie Athen, Weimar, Danzig und Porto zu meinen Therapeuten wurden – eine Spur zwischen Reise, Philosophie, Psychogeographie und Identität.

Kartografien des Werdens ist mein filmischer Essay über das Reisen als Spiegel der Seele. Zwischen Städten, Bildern und Erinnerungen suche ich nach Fragmenten meines Selbst – unterwegs als Flaneur, als Suchender, als Chronist des Inneren. Kamera und Stift sind meine Instrumente der Navigation.

Von besonderer Relevanz in diesem Zusammenhang ist auch die Beiträge:

Alternativen, je nach Tonfall oder Gewichtung:

Kartografien des Werdens - Eine Reise durch Orte, Bilder und das Selbst

Ein filmischer Essay aus der Reihe „Das Bild des Weges“ und „Der Philosophische Flaneur“

Die Geografie des Werdens

Ich reise nicht, um irgendwo anzukommen. Ich reise, um mich zu verlieren – und in diesem Verlust Spuren meines wahren Selbst zu entdecken. In einer Welt, die zunehmend auf Geschwindigkeit, Effizienz und Ablenkung ausgerichtet ist, wird das bewusste Reisen zum Widerstand: gegen das Vergessen, gegen das Funktionieren, gegen das Sich-selbst-Verlieren im Lärm des Alltags.

Dieser Essay ist eine filmische Meditation über das Reisen als rituellen, existenziellen und transformativen Akt. Inspiriert von den tiefenpsychologischen Einsichten Carl Gustav Jungs, verstehe ich das Reisen nicht als Bespaßung oder Konsum, sondern als einen Weg der Individuation – als Bewegung auf das zu, was in uns authentisch, ursprünglich und unverstellt ist.

Was, wenn unsere Ängste, unsere Melancholie, unsere innere Unruhe keine Defekte sind – sondern Wegweiser? Botschaften aus einer Tiefe, die uns ruft, genau hinzusehen. Jung lehrte uns: Das Symptom ist der Anfang – ein Zeichen, dass unsere Seele spricht. Und sie spricht nicht in klaren Sätzen, sondern in Bildern, Symbolen, Synchronizitäten.


Das Gedächtnis der Orte

Eine Archäologie des inneren Sehens

Diese Bilder entstammen nicht dem Prospekt des Sehens, sondern dem Gedächtnis der Dinge. Ich finde sie nicht im Reiseführer, sondern im Fragmentarischen, im scheinbar Zufälligen, im Unvollständigen. Sie wohnen in den Rissen der Geschichte, in den Narben der Städte, in den Zeichen, die die Zeit in Stein, Putz und Asphalt eingeschrieben hat. Ein grauer Himmel über Danzig ruft das Echo vergangener Aufstände wach; das einsame Tappen von Schritten in einer Gasse von Porto trägt die saudade in sich – jene portugiesische Melancholie, die mehr Sehnsucht als Trauer ist. Das Licht, das auf den bröckelnden Putz eines Hauses in Weimar fällt, berührt die Schatten von Goethe, der hier wandelte, und dessen Blick ebenfalls in die Tiefen des Menschlichen gerichtet war.

Die verfallenen Fassaden Athens sprechen in einer Sprache der Ruinen – sie erzählen von Größe und Fall, von Mythen und Aufständen, von Philosophen und verlorenen Träumen. Die Stille in einer Nebengasse Kyivs ist kein leeres Geräusch, sondern ein Raum, in dem Geschichte atmet. Das schiefe Baugerüst in Berlin steht nicht nur als Zeichen des Wandels, sondern als moderne Ikone des unvollendeten Versuchs, neu zu bauen, was einst zerstört wurde. Und in Lissabon – nicht der Nebel, sondern ein verlassenes Café mit einem halb geöffneten Buch auf dem Tisch erinnert an Pessoa, an die Zersplitterung des Selbst, das sich in Heteronymen spiegelt und zugleich verliert.

Ich habe in den letzten Jahren Städte durchwandert: Paris, Berlin, Prag, Kyiv, Danzig, Weimar, Kopenhagen, Athen, Thessaloniki, Lissabon, Porto. Jede dieser Städte ist Teil meiner inneren Topografie geworden – ein Koordinatenpunkt auf der Karte meines Werdens. Sie erzählen von Umbrüchen, von Verlust, von Sehnsucht, aber auch von Momenten reiner Präsenz.

In all diesen Bildern sprechen die Steine. Saxa loquuntur. Und in ihrem Sprechen zeigen sie mir mehr über mich selbst, als es Worte je könnten – denn sie sprechen in der Sprache der Archetypen, der kollektiven Erinnerung, des Unbewussten, das auch in mir wirkt.


Kartografie des Selbst

Kamera und Stift als Instrumente der Navigation

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Meine Kamera ist kein neutrales Werkzeug der Dokumentation. Sie ist ein Seismograf der Seele. Sie reagiert auf Resonanz, auf Irritation, auf Schönheit – auf das, was mich ruft. Jedes Bild, das ich einfange, ist ein Fragment einer inneren Landschaft. Ein Symbol, das mich daran erinnert, dass jede äußere Bewegung zugleich eine innere ist.

Ich schreibe meine Tagebücher wie ich reise: tastend, offen, verwundbar. Ich suche keine Antworten, sondern Räume, in denen Fragen ein Zuhause finden. Mein Leiden ist nicht das Ende, sondern der Ursprung meines Weges. Es ist der Riss, durch den das Licht fällt. Das Reisen wird zur Bewegung durch diesen Riss hindurch – nicht weg von mir, sondern zu mir hin.

So wird das Gehen durch Städte und Landschaften zu einem psychogeografischen Ritual. Die Ruinen in Athen, die Fassaden von Berlin, das diffuse Licht in Paris, die Schatten in Kyiv – sie sprechen mit mir. Nicht in Worten, sondern in Atmosphären, in Symbolen, in Spiegelungen. Ich reise nicht, um Neues zu entdecken, sondern um mich an das zu erinnern, was ich tief in mir immer schon wusste – und vielleicht vergessen hatte.

Kamera und Stift sind dabei meine Instrumente der Kartierung: der Kompass, mit dem ich mich orientiere, der Sextant, mit dem ich mich messe, das Logbuch, das meine Wandlungen festhält. Ich bin ein reisender Autor, ein filmischer Flaneur – unterwegs zwischen den Konturen der Städte und den Linien meines Selbst.

In dieser filmischen Reflexion verfolge ich keinen roten Faden im klassischen Sinn. Stattdessen lasse ich mich treiben – von Bildern, Stimmungen, Orten. Der Essay wird zur inneren Landkarte einer Verwandlung. Denn manchmal müssen wir weit gehen, um zu erkennen, dass wir uns selbst stets begleiten – durch alle Räume hindurch.

Das Reisen ist kein Fluchtpunkt. Es ist ein Spiegel. Und in diesem Spiegel beginnt das Selbst, sich neu zu schreiben – in Worten, in Bildern, in Bewegungen, in Stille.


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keyword: travel/philosophy

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